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Ruppert & Mulot: Das kleine trunkene Theater

© Ruppert & Mulot

Ruppert & Mulot: Das kleine trunkene Theater

8. April bis 26. JuniStadtmuseum

Öffnungszeiten: 

Di/Mi 9–17, Do 9–20, Fr 9–17, Sa/So 11–17 Uhr
Sonderöffnungszeiten 26. bis 29. Mai: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr

Eine Ausstellung des Internationalen Comic-Salons und des Stadtmuseums Erlangen begleitend zur Ausstellung „Augenblick! Die Faszination des Sehens“.

Eintritt: 4,– / erm. 2,50 Euro
mit Salon-Ticket Eintritt frei!

www.erlangen.de/stadtmuseum

In seinem berühmten analytischen Werk „Comics richtig lesen“ hat der amerikanische Zeichner Scott McCloud die Leistung des Gehirns für die Comic-Lektüre so beschrieben: „In der Grauzone des Rinnsteins (das ist der Raum zwischen zwei Panels) greift sich die menschliche Phantasie zwei separate Bilder und verwandelt sie zu einem einzigen Gedanken.“ Selbstverständlich ist es das menschliche Auge, das dem Gehirn die Informationen von der Comic-Seite übermittelt. Dieses Auge ist in vieler Hinsicht wunderbar – auch weil es so träge ist. Bekanntlich hält es einen Lichteinfall – also auch eine Bildwahrnehmung – für Sekundenbruchteile fest, selbst wenn die Lichtquelle schon erloschen ist. Diese Fähigkeit nennt man Nachbildwirkung oder stroboskopischen Effekt. Sie sorgt dafür, dass der Mensch eine Folge von Standbildern, die in ihren Bewegungsphasen leicht verändert sind, als kontinuierliche Bewegung wahrnimmt. Jedes Daumenkino zeigt, wie die Bewegungsillusion funktioniert. Im 19. Jahrhundert war das ein ganz großes Thema für die Erforscher der Optik und für die Unterhaltungskünstler. Damals wurden rotierende Bilderräder (Phenakistiskope) und Bildertrommeln (Zoetrope) erfunden, um erstmals Zeichnungen in (scheinbare) Bewegung zu versetzen.
Hier treffen sich Comic-Kunst und Bewegungsillusion. Die französischen Zeichner Florent Ruppert (Jahrgang 1979) und Jérôme Mulot (Jahrgang 1981) haben sich beim Studium an der Ecole Nationale Supérieure d’Arts in Dijon kennengelernt und sind zu einem unzertrennlichen Duo verschmolzen. In ihrer Arbeit haben sie rasch die Wurzeln der Narration mit Bildern thematisiert. Schon in dem Buch „Affentheater“ (2006) finden sich gezeichnete Phenakistiskope, die der Leser im Internet aufsuchen muss, um sie in Bewegung zu sehen.
Nun haben die Künstler für die Installation „Das kleine trunkene Theater“ Comic-Seiten mit modernen Varianten der Bildertrommel kombiniert. Die Teller alter Schallplattenspieler wurden in räumliche Bühnen für ihre Comic-Figuren verwandelt. In Rotation versetzt und mit stroboskopischem Licht konfrontiert, erzeugen sie erstaunliche Bewegungsillusionen. In Kombination mit der auf Comic-Seiten erzählten Geschichte wird ein makabres Psychotheater imaginiert. Das Auge des Betrachters täuscht rhythmische Übungen und Fluchtversuche vor.

Herbert Heinzelmann